Mein musikalisches Talent

Ich singe gern.

Keine komplizierten Lieder, sondern nur einfache Melodien.

Eines Tages ging ich zum Spielen in den Hof, eine Melodie von drei Tönen auf den Lippen, la, la la. Als meine Mutter mich Stunden später zum Essen herein holte, war sie überrascht. Es waren immer noch dieselben drei Töne auf meinen Lippen.

Ich hatte sie die ganze Zeit gesungen.

 

Mein Wunsch, Schiff zu fahren

Wir fuhren nach Flensburg.

Am Hafen stehend, wollte ich so gern mit einem von den vielen Schiffen fahren. Ich bat meine Eltern doch mit dem Schiff dort fahren zu können und zeigte auf ein Frachtschiff, das gerade im Begriff war, abzulegen.

 Mein Vater sagte mir: „Das geht nicht, das ist ein Lastschiff.“

Ich musste das wohl falsch verstanden haben, denn meine Antwort war: „Ja wenn das Lassschiffe sind, warum lassen sie uns dann nicht?“

 

Mein schönstes Ferienerlebnis

Früher, als Kind, habe ich immer gestöhnt, wenn es hieß: Aufsatz schreiben über mein schönstes Ferienerlebnis.

Wir fuhren nicht in die Ferien, so wie viele meiner Klassenkameraden, denn es war nie genug Geld da für Urlaubsreisen.

Aber ich hatte in den Ferien immer viel Spaß.

Manchmal fuhr ich aber doch weg. Dann besuchte ich Tante Ilse und Onkel Gerd. Ich weiß nicht mehr, was ich da alles erlebt habe, aber einige Erinnerungen leuchten wie Blitzlichter in meinen Gedanken auf.

Da sehe ich mich nachts um 3:00 ganz allein im Gästezimmer unter einem dicken Federbett liegen, eingemummelt, mit einem Buch in der Hand und lese eine spannende und zugleich lustige Geschichte. Von dem nicht allzu weit entfernten Bahndamm klingt immer wieder das Geräusch eines vorbeifahrenden Güterzuges an mein Ohr. Ein Geräusch, das, wenn ich es heute höre, mir immer wieder dieses Bild heraufbeschwört.

In dem Buch ging es um eine unkonventionelle Tante, die mit ihren Neffen und Nichten, - weiß gar nicht, wie viele es waren oder ob sie tatsächlich verwandt waren, aber ich weiß, dass mir die Geschichte wahnsinnig gefallen hat und ich das Buch nicht aus der Hand legen wollte -, tolle Abenteuer erlebte. Ich war gern bei Tante Ilse und Onkel Gerd. Zuhause musste ich mein Zimmer mit drei Brüdern teilen, da war nichts mit lange lesen. „Mach das Licht aus, ich will schlafen“, war das, was ich dann schnell zu hören bekam, wenn nicht schon meine Mutter früh dafür gesorgt hatte, dass das Licht aus war. Bei Tante Ilse konnte ich lesen, so lange ich wollte. Keiner, der mich kontrollierte, keiner der was dagegen hatte. Das Lesen, in den Ferien, nachts bei Tante Ilse, ganz allein im Zimmer mit den leisen Geräuschen der Bahn war mein schönstes Ferienerlebnis.

Ich glaube ich kann sagen: „Von allen Dingen, die ich in meinem Leben erlebt habe, scheint dies, das schönste zu sein.“

Vielleicht ist das nicht ganz gerecht, denn ich hatte noch viele andere gute, ja geradezu fantastische  Erlebnisse.

Da war die erste Liebesnacht mit Monika. Wir haben die ganze Nacht nicht geschlafen. Noch oft haben wir uns seitdem geliebt, aber diese Nacht war nicht zu toppen.

Und wie war es, als ich zum ersten Mal Peter, meinen erstgeborenen Sohn, in der Armen hielt? Gab es je in meinem Leben etwas Schöneres?  

Das erste eigene Weihnachten, der Einzug ins eigene Haus, das erste eigene Auto, das Hubschrauberfliegen, die Fahrten mit meinem Motorroller (Ich erinnere mich, als ich in einem Tal voller blühendem Raps war. Alles um mich herum leuchtete gelb Auch ich selbst schien gelb zu strahlen), die Ausflüge mit der Fotoausrüstung, die ich mir erarbeitet hatte. All dies sind Erinnerungen, eine schöner und wertvoller als die andere, an Erlebnisse, welches jedes für sich betrachtet, eigentlich das schönste in meinem Leben war.

Wenn mich also jemand fragt, welches mein schönstes Erlebnis war,  kann ich ihm eigentlich keine richtige Antwort geben. Meist lege ich mich auch nicht fest und sage, das ich viele schönste Erlebnisse hatte.

 

Wenn ich mich aber selbst frage, dann gehen mir zwar alle diese tollen Erinnerungen durch den Kopf, doch am Ende habe ich immer das eine Bild vor Augen: Ich liege nachts um drei unter dem Federbett, lese die Abenteuergeschichte und höre von fern das Rattern der Züge.

 

                               

Geschichten aus meinem Leben

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Ohrfeige

Ich bin am 9.April 1956 geboren, an einem Montag. Meine Mutter hat mir erzählt, dass der Winter noch einmal zurückgekommen war. An den Fensterscheiben gefror das Kondenswasser zu Eis und Eisblumen glitzerten im frühen Morgenlicht. Der Winter ist zu Glück kein Sinnbild für mein Leben geworden. Vielleicht aber für das Jahr 1956?

In diesem Jahr nämlich verabschiedete der Bundestag das von Konrad Adenauer forcierte Wehrpflichtgesetz. Deutschland hatte wieder eine Armee. Nichts mehr mit, „Wer noch einmal eine Waffe in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen“, ein Ausspruch von Franz Josef Strauß, bayrischer Ministerpräsident.

Konrad Adenauer: An ihm lag es auch, dass ich das Datum einer Ohrfeige, die ich bekam, nie vergessen werde. Es war der 19. April 1967.

Wir lebten damals in einem kleinen Dorf namens Müsleringen. Ich musste immer mit dem Schulbus ins sechs Kilometer entfernte Nenndorf fahren. Dort, in der kleinen Dorfschule, lernte ich lesen und schreiben.

Am besagten 19. April wurden alle Schüler und Lehrer in die Aula gerufen. Unser Rektor trat ans Rednerpult und erklärte uns, offensichtlich tief erschüttert, dass Konrad Adenauer gestorben sei.

Ich wusste trotz meiner Jugend, dass Konrad Adenauer Bundeskanzler gewesen war und somit so etwas wie der Chef Deutschlands. Aber sein Tod beeindruckte mich trotzdem nicht sehr lange. Ich war ja noch so jung. Natürlich war ich bedrückt. Wahrscheinlich eher, weil ich die Trauer der Lehrer wahrnahm, als über den eigentlichen Grund, nämlich Adenauers Tod.

Nach der Ansprache des Rektors, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, war der Unterricht für diesen Tag zu Ende.

Die Schüler aus Nenndorf gingen nach Hause. Ich aber musste noch auf den Schulbus warten. Erst spielte ich mit den anderen Kindern, die auch warten musste, auf dem Schulhof. Dann wurde mir langweilig und ich ging in mein Klassenzimmer. Warum, weiß ich gar nicht mehr. Wahrscheinlich wollte ich mir ein Butterbrot holen. So allein im Klassenzimmer kam mir die Idee, auf die Tische zu klettern und den Raum von Tisch zu Tisch springend zu durchqueren. Fragt mich bloß nicht, wieso ich auf diese Idee kam. Es machte aber einen Heidenspaß.

Ich war wieder an der Tür angekommen, sprang auf den Boden du stand vor dem Rektor.

Er schaute mich an, mit einer Wut, wie ich sie noch nie in dem Gesicht eines Menschen gesehen hatte.

„An so einem Tag!“ sagte er und schlug zu. Ich hatte das Gefühl, der Kopf würde mir abgerissen, als seine Hand meine Wange traf. Mir wurde ganz schwindelig und ich erwartete weiter Schläge, oder dass er mich anschreien würde. Aber er schaute mich nur noch eine Weile an, dreht sich dann um und ging.

Wir sprachen nie darüber. Ich habe auch nie mit anderen darüber gesprochen. Mit meinen Eltern nicht und auch nicht mit meinen Freunden.

Ich glaube der Rektor hasste mich seit diesem Tag.

Glücklicherweise zogen wir ein paar Monate später um.

Ich habe in meinem Leben noch so manche Ohrfeige bekommen, aber nur von dieser weiß ich genau den Tag.